1.1. Analyse und Konzeption von Präsenz- in Online-Angebote

1.1.1. Analyse der Präsenz-Seminare

Die folgende Grafik zeigt die grundsätzlichen Schritte der Vorgehensweise. Auf die einzelnen Punkte wird in den Kapiteln dieser Arbeitshilfe eingegangen.

Was macht einen guten Online-Unterricht aus? Wie stelle ich sicher, dass mein Seminar auch online gelingt? Grundsätzlich gilt: Die inhaltliche Planung von Online-Lehr- und Lernangebote entspricht im Wesentlichen der Planung von Präsenzkursen. Die Vorbereitung erfolgt anhand folgender Analyseschritte:

  1. Analyse der Zielgruppe

  2. Recherche und Zusammenstellung von Inhalten

  3. Definition der Lernziele

  4. Grobstruktur der Inhalte

  5. Analyse der Lehr- und Lernmethoden und Prüfungen/Tests

Vor der Umstellung eines Präsenz-Seminars auf ein Online-Angebot sollten Sie das vorhandene Konzept für die Präsenzlehre noch einmal anschauen, die obigen Punkte auf ihre Aktualität hin überprüfen und Recherchelücken schließen. Eventuell empfiehlt es sich, Lernziele neu zu definieren und Inhalte an das neue Format anzupassen.

Denn natürlich gibt es auch gewaltige Unterschiede zwischen herkömmlicher Lehre und virtuellen Seminaren. Der wichtigste: Es ist unsinnig, ein Präsensseminar 1:1 auf die Online-Lehre zu übertragen. Vielmehr gilt es zu überlegen: Welche Inhalte eignen sich für die Digitalisierung der Lehre, welche müssen wegfallen oder umstrukturiert werden? Was ist zu beachten, wenn ich Schulungsinhalte aus der Präsenzlehre für die digitale Vermittlung aufbereiten will? Der Hauptunterschied besteht also in der Online-Ablaufplanung und im Methodeneinsatz von digitalen Medien und Tools.

Es erfordert weniger Aufwand, wenn ein Online-Angebot auf der Grundlage einer vorhandenen Präsenz-Schulung erstellt werden kann. Wenn Sie ein komplett neues Online-Angebot erarbeiten, gehen Sie vor, wie in den oben aufgeführten Analyseschritten. Planen Sie dafür ausreichend Zeit ein!

1.1.2. Inhaltsanalyse für Online- und Selbstlernphasen

Online-Angebote stellen alle Beteiligten vor neue Herausforderungen:

  • Höhere Anforderung an die Konzentrationsfähigkeit

  • Nicht alle Lernkanäle können aktiviert werden, (kommunikatives Lernen ist trotz Breakout-Gruppen und kollaborativer Tools eingeschränkt möglich; motorische und haptische Lernerfahrungen fehlen weitgehend)

  • Neue Formen der Zusammenarbeit und des Austausches zwischen den Beteiligten müssen eingeübt werden

  • Wie können affektive Lerninhalte vermittelt und transferiert werden?

  • Es gibt technische Hard- und Software-Voraussetzungen und digitale Medienkompetenz aller Beteiligten ist notwendig

Dies alles erfordert ein Umdenken in Hinblick auf Inhalte und ihre Vermittlung. Wichtig ist vor allem der Wechsel von Vorträgen im Plenum sowie Einzel- und Gruppenarbeiten. Als Faustregel gilt: Nicht länger als 20 Minuten Input ohne Gelegenheit zur Interaktion. Überfordern Sie Ihre Zielgruppe nicht mit zu langen Vorträgen und zu viel Information am Stück! Nach einem Input können Selbstlernaufgaben, Gruppenarbeiten oder Übungen stattfinden. Danach treffen sich alle wieder im Plenum für Rücksprachen, Auswertung oder Reflexionen. Aus diesem Grund sind die Zeiteinheiten neu zu überdenken. Bei 60 min Unterrichtseinheiten sollten daher nicht mehr als 2 Themen-Inputs erfolgen, im jeweiligen Wechsel von 10 bis 20 min Gruppenarbeit oder Selbstlernphasen. Und nicht zuletzt ist der Einsatz digitaler Werkzeuge für Umfragen, Quizabfragen, Whiteboard und digitale Pinnwände für die Interaktion mit den Teilnehmenden ratsam.

Für die Planung von Online-Angeboten empfiehlt es sich also, die inhaltlichen und zeitlichen Abläufe der bisherigen Präsenzphasen zu überarbeiten und sich dabei an folgenden Themenschwerpunkten zu orientieren:

  1. Vortrag, Präsentation, Diskussion etc. im Plenum: – Zielstellungen, Themen, Zeiteinheiten, Methoden, Arbeitsmaterialien

  2. Einzel- und Gruppenarbeiten: Aufgabenstellung, Zielstellung, Zeiteinheiten, Methoden der Gruppenarbeit, Gruppengröße und ggf. personelle Zusammensetzung, Arbeitsmaterialien

  3. Wechsel/Kombination zwischen Plenum und Einzel- bzw. Gruppenarbeit

  4. Bisherige zeitliche Verteilung zwischen Plenum und Einzel- bzw. Gruppenarbeit der einzelnen Tage und aller Tage (bei mehrtägigen Seminaren)

Diese Überlegungen fließen ein in die Erstellung eines Grobkonzeptes mit einer Strukturierung der Inhalte und Funktionen für den Lernprozess.

1.1.3. Grobkonzept

Im Grobkonzept werden die folgenden Punkte festgehalten:

Inhalt (Hier geht es um die Inhalte und Medien):

  • Welche Inhalte sollen gelernt bzw. vermittelt werden?

  • Welche Medien eignen sich dazu am besten?

Aufbau (Hier geht es um die Lernaktivitäten):

  • Wie kann die Auseinandersetzung mit dem Lernstoff gefördert werden?

  • Welche Tätigkeiten und Befähigungen werden von den Lernenden in der Praxis erwartet?

Kommunikation (Hier geht es um Fragen der Zusammenarbeit und der Betreuung):

  • Sollen Fakten gelernt oder neue Einsichten gefördert werden?

  • Kann der Lernfortschritt von den Lernenden selbst überprüft werden oder sind Hilfen notwendig?

1.1.4. Feinkonzept

Das Feinkonzept leitet sich aus dem Grobkonzept ab. Dieses wird um erste konkrete Lerninhalte ergänzt. Es enthält die detaillierte Projektplanung und dient als Grundlage für die Inhaltserstellung und die Seminarablaufplanung.

Es lohnt sich, Zeit in die Entwicklung eines Grob- und Feinkonzepts zu stecken, denn das erleichtert Ab-sprachen mit dem Auftraggeber, Anpassungen und Varianten für verschiedene Zielgruppen und die Umsetzung.

Das Feinkonzept enthält auch die Festlegung und detaillierte Beschreibung von Lernzielen mit überprüfbarer Ergebniskomponente. Hier ein Beispiel aus einer Online-Lehreinheit zum Thema „Strategien der Konfliktlösung“:

1.1.4.1. Beispiel für ein Feinkonzept zum Thema: „Strategien der Konfliktlösung“

Lerninhalte

  • Grundmuster des Konfliktverhaltens kennen lernen

  • eigene Konfliktstrategie erkennen und erweitern

  • Konfliktthemen unterscheiden können

  • Konfliktszenarien analysieren

  • die Interessen und Ziele der Konfliktparteien erkennen

  • Gesprächstechniken lernen und einsetzen

  • Rollenspiele mit Perspektivwechsel

  • eigene Strategie und Taktik ausbauen

geplante Medien mit Skizzierung für die Umsetzung

  • Lernskripte mit aufeinander aufbauenden Lernanweisungen;

  • Video-Tutorials mit jeweils konkreten Konfliktsituationen,

  • Videos mit verschiedenen Strategien der Konfliktlösung im Alltag,

  • Selbsttest der eigenen Konfliktstrategie

alle Interaktionen

  • Übungen und Transferaufgaben,

  • Video-Tutorials,

  • interaktive Aufgaben-/Quiz-Abfragen,

  • Selbsttest und Testabfragen zur Überprüfung der Lernziele

Beispiele für Videos zum Thema Konfliktarten: https://www.youtube.com/watch?v=YYBCaGXN0FU https://www.youtube.com/watch?v=VEZsjxlPPDg

simples Beispiel für interaktive Abfrage – „Welcher Konflikttyp bist du?“: in einem LMS eingebunden https://moodle.awo.org/moodle/course/view.php?id=11&sectioni d =7 Gastzugangsschlüssel = Gast eintragen und bestätigen.

alternative Lernwege

  • Hinweise zu aufbauenden und weiterführenden Lern-Quellen und Übungen,

  • Lernende suchen in Selbstlernphasen nach ergänzenden Lernquellen (z.B. YouTube; andere Lernplattformen; Lernmaterialien) usw. und können diese auch den anderen Lernenden als Anregung zur Verfügung stellen

Lernpfade

  • strukturierte Wege durch eine Reihe von aufeinander abgestimmten Arbeitsaufträgen, mit denen die Lernenden in Selbstlernphasen eigenverantwortlich arbeiten und üben können, sowohl im Unterricht als auch zu Hause

  • in den Lernpfadstufen regelmäßig Tests/Feedbackvarianten für die Selbstkontrolle bereitstellen

  • Lernpfade möglichst in kurze Sequenzen (Learning-Nugget) unterteilen (ideal max. 15 min)

Überprüfung der Ergebnisse

  • In den Lernpfadstufen regelmäßig Tests/Feedbackvarianten für die Selbstkontrolle anbieten

  • Methoden und Testformen im Plenum oder Gruppensettings bereitstellen

  • Rollenspiele mit Beobachtungs- und Bewertungskriterien

  • interaktive Fragebögen mit Auswertungsschemata

kommunikative Elemente

  • Austausch mit anderen Lernenden über kollaborative Tools, wie Videomeetings, Chat, Whiteboard, Arbeitsgruppen, Foren und weitere Online-Möglichkeiten

  • und nach Corona auch wieder persönliche Treffen

Betreuungselemente

  • Lernbegleitung durch Moderator*innen, Dozent*innen, Tutor*innen,

  • Lernbegleiter*innen per Chat,

  • direkte Video-Konferenz,

  • Video-Arbeitsgruppenbetreuung,

  • Konsultationen,

  • ggf. Kurzdemonstrationen etc.

Die Ablaufplanung für digitale Lerneinheiten erfordert eine intensive Vorbereitung, wie dieses Beispiel zeigt. Dies sollten Sie bei Ihrer Zeitplanung unbedingt berücksichtigen!

„effektives Lernen per Video“ in 5 Schritten zum nachhaltigen Erfolg (Pink University): https://www.youtube.com/watch?v=g-pyedDBwwQ

„Online-Lernen – Das Stufenmodell von Gilly Salmon“ unter wb-web – einem Projekt des DIE (Deutsches Institut für Erwachsenenbildung): https://www.wb-web.de/material/methoden/das-aktive-online-lernen-und-lehren-das-stufenmodell-von-gilly-salmon.html

Last updated